Das Buch Amos

Sein Auftreten war kurz und wirkungsvoll, und seine Wortwahl ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Amos übte an den gesellschaftlichen Zuständen eine Art der Kritik, die ohne weiteres auch in heutiger Zeit anwendbar erscheint.

Die Person Amos

Das biblische Buch Amos informiert uns recht gut über seine Hauptperson. Demnach war Amos ein Schafzüchter und Pflanzer aus Tekoa. Obwohl es in Palästina mehrere Siedlungen dieses Namens gab, kann aufgrund weiterer Angaben mit einiger Sicherheit von einem Ort in der Region zwischen Jerusalem und Betlehem ausgegangen werden. Amos selbst betrachtete sich trotz seiner von Gott inspirierten Botschaft nicht als klassischen Propheten (vgl. Kap. 7, Verse 14 und 15).

Amos und seine Zeit

Im Buch Amos finden sich mehrere Aussagen, die eine außergewöhnlich gute Datierung zulassen. Demnach kann das kurze Auftreten des Gottesmannes mit einer maximalen Toleranzspanne von 36 Jahren eingeordnet werden. Allgemein geht man deshalb davon aus, dass Amos in der Zeit um 760 v. Chr. wirkte. Beide Staaten des geteilten Volkes, das Nordreich Israel und das Südreich Juda, erlebten damals gerade eine Epoche des Wohlstandes, welcher allerdings ungleich verteilt war. Der Handel blühte, wodurch Kaufleute und Wohlhabende immer reicher wurden. Die Landbevölkerung hingegen, traditionell das eigentliche Rückgrat der Wirtschaft, verarmte zunehmend. Daraus entstand eine moralisch kranke Gesellschaftsstruktur: Der ursprüngliche Jahwe- Gottesglaube inklusive seiner Sozialordnung wurde zwar nicht abgelehnt, aber dennoch zugunsten der Oberschicht verfälscht. Verarmte Mitbürger gerieten so beispielsweise im Falle einer Verschuldung relativ schnell in die Sklaverei.

Der Inhalt des Buches Amos

Der Gottesmann beginnt seine prophetischen und gesellschaftskritischen Reden mit der Ankündigung mehrerer Strafgerichte. Dabei verwendet er eine einheitliche rhetorische Formel: „So spricht der Herr“ – Erklärung der Strafabsicht – Benennung des Verbrechens – Benennung der Strafe – „So spricht der Herr“.

Zunächst wendet sich Amos gegen die Nachbarvölker der Israeliten. Ihnen wird allerdings nicht ihre andere Religion zur Last gelegt. Vielmehr handelt es sich um moralische Verfehlungen und Kriegsverbrechen (u. a. gegen Schwangere), die auch mit der Ethik dieser Völker nicht vereinbar waren. Nahtlos geht die Reihe der aufgezählten Strafgerichte jedoch plötzlich zur eigenen Nation über: Das Südreich Juda wird wegen seiner religiösen Abwege getadelt. Dem Nordreich Israel wiederum werden Dekadenz und soziales Unrecht angelastet.

Im weiteren Verlauf seiner Botschaft warnt Amos vor der irrigen Annahme, dass der besondere Status als „erwähltes Volk Gottes“ vor Strafe schützen könne. In auffälliger Weise richten sich die meisten der nun folgenden Warnungen, Klagen und Drohworte allerdings explizit gegen das Nordreich Israel.

Amos beendet seine Reden mit der Verkündigung von vier Visionen, welche den moralischen Zustand der Gesellschaft bildhaft wiedergeben: Eine Heuschreckenplage (welch bemerkenswerte Parallele zur heutigen „Heuschrecken-Debatte“), ein alle Äcker verzehrendes Feuer, überreifes Obst sowie eine offenbar in Schieflage geratene Mauer. Eine fünfte Vision schließlich bezeugt, dass kein Übeltäter Gottes Gericht entkommen wird.

Amos und die Folgen seines Auftretens

Nach den ersten drei Visionen kommt es jedoch zu einem Zwischenspiel. Offenbar trifft Amos mit seinen Worten beim einfachen Volk im Nordreich Israel auf offene Ohren. Ein Priester zeigt ihn daraufhin wegen Aufruhrs beim König an. Anschließend wendet er sich mit falscher Freundlichkeit an Amos, nennt ihn ehrerbietig „Seher“ und gibt ihm den wohlmeinenden Rat, das Land lieber zu verlassen. Bevor Amos dieser Aufforderung offenbar nachkommt, stellt er jedoch noch eines klar: Er gehört keiner der üblichen Prophetenschulen an, welche ihr Geld durch mehr oder weniger erfundene Weissagungen verdienen. Amos betont vielmehr, dass ihn Gott selbst für diesen einmaligen Auftrag aus dem Alltag herausgerufen hat.

In der Literatur wird Amos aufgrund seiner Wortwahl oftmals als grobschlächtiger Revoluzzer dargestellt, dessen zornige Reden ihm lediglich einen Landesverweis einbrachten. Doch ganz am Ende des Buches Amos finden sich auch Worte der Hoffnung auf einen Neubeginn nach dem Strafgericht. Sie lassen die Botschaft des Gottesmannes in einem freundlicherem Licht erscheinen.