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Der Epheserbrief
Das meist kurz „Epheser“ genannte biblische Buch ist eine Ansammlung seelsorgerlicher Ermahnungen, Hinweise und Lehren. Zentrales Anliegen des Briefes ist die Erhaltung der Einheit unter den Christen. Vermutlich war es zu Gruppenbildungen gekommen, wobei Christen jüdischer und hellenistischer Herkunft jeweils unter sich blieben. Die wohl bekanntesten Passagen des Schreibens sind die christliche Haustafel sowie die geistliche Waffenrüstung.
Erstere spricht jedem Mitglied eines Haushaltes Wertschätzung zu, fordert aber gleichzeitig zum Respekt gegenüber anderen auf. Männer und Frauen, Kinder und Eltern, Sklaven und Herren sind jeweils als Gegenüber aufgeführt.
Bis in die heutige Zeit werden vor allem die Passagen hinsichtlich der Frauen gern aus dem Zusammenhang gerissen und fehlgedeutet. Religiöse Hardliner beiderlei Geschlechts versuchen, daraus einen männlichen Führungsanspruch abzuleiten. Dem setzt die christliche Haustafel selbst zwei Argumente entgegen: Männer sollen Frauen lieben wie ihren eigenen Leib (Kapitel 5,28). Eine unterschiedliche Wertigkeit ist somit ausgeschlossen. Zudem endet die christliche Haustafel mit der Feststellung, dass alle den gleichen Gott haben, bei dem es kein Ansehen der Person gibt.
Die geistliche Waffenrüstung wiederum vergleicht verschiedene Aspekte des Glaubenslebens mit den Bestandteilen einer antiken Rüstung. Gerechtigkeit wird mit dem Brustpanzer verglichen, der Lendengurt, welcher ein Stolpern über die eigenen Gewänder verhinderte, wird mit der Wahrheit gleichgesetzt… Auffällig ist dabei, dass als einzige Angriffswaffe dieser Rüstung das Schwert aufgeführt wird, ein Symbol für Gottes Wort.
Die Rätsel um Absender und Empfänger
Obwohl der Epheserbrief gleich zu Beginn Paulus als Verfasser und die Gemeinde zu Ephesus als Empfänger benennt, wird beides von einigen Bibelauslegern angezweifelt. Kritiker gehen davon aus, dass der Brief erst zwischen 80 und 100 nach Christus geschrieben wurde. Allerdings ist damit noch längst nicht die Verfasserschaft des Paulus ausgeschlossen, denn dessen Lebensdaten sind nicht genau rekonstruierbar.
- Kritische Ausleger wenden daher folgende Indizien gegen Paulus ein:
- Der Schreibstil sei für Paulus ungewöhnlich.
- In einigen handschriftlichen Überlieferungen fehlt die Einleitung mit Nennung von Absender und Empfänger.
- Paulus war mehrfach in Ephesus und hielt sich dort auch längere Zeit auf. Es sei daher ungewöhnlich, dass der Brief keine Grußliste enthält.
Gegen Ephesus als Empfängergemeinde wird folgende Argumentationslinie angeführt:
- Der Brief soll von einem gewissen Tychikus überbracht werden. Dieser wird auch als Überbringer des inhaltlich ähnlichen Kolosserbriefes genannt.
- Beide Schreiben erwähnen Paulus als Gefangenen.
- Demnach wurden beide Briefe zur gleichen Zeit vom gleichen Boten befördert. Aus dem Kolosserbrief wissen wir aber, dass Tychikus nicht nach Ephesus, sondern zu den Kolossern und nach Laodizea gesandt wurde.
- Es gibt daher die Annahme, der ursprüngliche Adressat des Epheserbriefes sei die Gemeinde Laodizea gewesen.
Allerdings widersprechen sich beide Argumentationslinien. Falls Paulus nicht der Verfasser war, kann man auch nicht anhand seiner Biografie die Empfängergemeinde identifizieren. Wahrscheinlicher ist daher, dass Paulus zu Beginn der 60er Jahre des ersten Jahrhunderts beide Briefe verfasste, als er bereits Gefangener in Rom war. Tychikus überbrachte diese Briefe dann nach Kolossä beziehungsweise nach Laodizea. Beide Orte gehörten zur römischen Provinz Asia auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Hauptstadt dieser Provinz war Ephesus. Es besteht also die Möglichkeit, dass der Epheserbrief und der Kolosserbrief eigentlich Rundschreiben an die Gemeinden der Provinz waren. Dies legt eine Bemerkung des Paulus im Kolosserbrief nahe, Laodizea und Kolossä sollen den Brief der jeweils anderen Gemeinde lesen. Dass dabei eines der Rundschreiben nach der Hauptstadt Ephesus benannt wurde, erscheint zumindest denkbar.