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Das Buch Ester
Wer das nach seiner Hauptperson benannte Buch Est(h)er geschrieben hat, ist unbekannt. Es handelt sich um eine Erzählung, die zunächst rein folkloristischen Charakter zu haben scheint. Tatsächlich war die Zugehörigkeit des Buches Ester zum biblischen Kanon bisweilen umstritten: Der Name Gottes wird nicht erwähnt. Auch Gottesdienste und Gebete spielen eine kaum wahrnehmbare Rolle. Dennoch stellt das Buch Ester mehr als nur ein großartiges Stück jüdischer Erzählkunst dar. Die darin berichteten Ereignisse begründeten das jüdische Purimfest, bei welchem es bis heute traditionell vorgelesen wird. Darüber hinaus liegt seine Botschaft darin, dass Gott auch unter existenziell bedrohlichen Umständen für sein Volk sorgt.
Der Inhalt des Buches Ester
Berichtet wird über die Juden, welche unter persischer Herrschaft nicht nach Jerusalem zurückkehrten, sondern in anderen Teilen des persischen Großreiches sesshaft geworden waren. Die meisten Episoden der Erzählung ereignen sich in und um die Festung Susa, welche einer der Regierungssitze der persischen Großkönige war.
Die verwaiste Ester lebt in
dieser Region bei ihrem Cousin Mordechai. In den Fokus der Öffentlichkeit gerät
sie, als Wasti, die Hauptfrau des Königs Ahasvaros (Xerxes), ihre Kompetenzen
überschreitet und deshalb verstoßen wird. Ahasveros lässt nun im ganzen Land
nach neuen Kandidatinnen suchen – sozusagen ein altorientalisches GNTM-Casting… Ester macht das Rennen, ohne
wirklich Ambitionen auf diese Position zu haben. Sie verschweigt allerdings ihre
jüdische Abstammung. Parallel dazu entwickeln sich dramatische Ereignisse.
- Mordechai deckt einen Mordanschlag gegen den König auf. Aus ungenannten Gründen
gerät sein Verdienst jedoch zunächst in Vergessenheit.
- Stattdessen erregt er
das Missfallen des aufstrebenden Höflings Haman. Jener verlangt (mit
königlicher Billigung) von allen Menschen seines Umfelds den Kniefall als
Zeichen der Ehrerbietung. Mordechai aber verweigert das.
- Der verärgerte Haman will nun Rache. Als er erfährt, dass Mordechai ein Jude ist, erwirkt er beim König ein neues Gesetz. Zu einem bestimmten Tag sollen überall im Reich die Juden ausgerottet werden. Ihr beträchtliches Vermögen soll dem König zufallen.
- Zunächst jedoch erfährt der König durch Zufall, dass Mordechai ihm einst das Leben gerettet hat. Deshalb soll dieser öffentlich dafür geehrt werden. Die Ausführung dieser Aufgabe überträgt er ausgerechnet Haman!
- Zwischenzeitlich hat Ester
einen Plan ersonnen, um ihr Volk zu retten. Der König weiß immer noch nicht,
dass sie jüdischer Abstammung ist. Deshalb arrangiert Ester zweimal ein
privates Essen mit dem König und Haman.
- Beim zweiten Treffen spricht sie von
der ihr drohenden Todesgefahr und offenbart ihre jüdische Herkunft. Damit ist
klar, dass Hamans Intrige sich (unbewusst) auch gegen die Königin gerichtet
hat.
- Er fällt vor Ester nieder und bittet um Gnade. Doch der König missversteht diese Geste und glaubt, Haman wolle Ester vergewaltigen. Umgehend wird Haman hingerichtet.
Dennoch gibt es noch ein Problem, welches aus dem persischen Rechtssystem resultiert: Auch der ansonsten allmächtige König kann ein einmal erlassenes Gesetz nicht ändern. Er verfällt daher auf den Ausweg, einfach ein neues Gesetz zu erlassen. An einem bestimmten Tag sollen alle Juden des Reiches gleichzeitig mit Waffengewalt gegen ihre Feinde vorgehen dürfen, ohne dass dies als Revolte ausgelegt wird. Die solchermaßen Begünstigen nutzen die Chance gründlich. Trotzdem herrscht anschließend Ruhe im Reich. Mordechai erhält eine hohe Position am Königshof und ist trotz der vorangegangenen Ereignisse bei Juden und Persern gleichermaßen angesehen. Ester wiederum befiehlt zum Gedenken an diese Ereignisse ein jährliches Fest – die Purimtage. Der Begriff leitet sich von dem Wort Pur (Los) ab, denn Haman hatte den Tag der Judenvernichtung per Losentscheid bestimmt.
Die Einordnung des Buches Ester im biblischen Kanon
Von den genannten Personen und Ereignissen ausgehend, lassen sich zumindest indirekt auch außerbiblische Quellen für diese Erzählung finden. Die verstoßene Wasti ist demnach möglicherweise mit Königin Amestres identisch, einer auch für damalige Verhältnisse extrem grausamen Frau. Sie wurde tatsächlich aufgrund ihres Verhaltens von Xerxes zeitweise verstoßen, blieb aber offenbar am Königshof und erlangte später als Mutter des nächsten Großkönigs (Artaxerxes) erneut Einfluss. Möglicherweise wird sie daher ohne Namensnennung auch im Buch Nehemia erwähnt, welcher ja Beamter am Königshof des Artaxerxes war. Die bei Nehemia angedeuteten politischen Unruhen im Reich könnten zudem im Zusammenhang mit den Nachwirkungen der Ester-Geschichte stehen. Aus den in beiden Büchern erwähnten Königsnamen lässt sich außerdem ableiten, dass das Buch Ester chronologisch vor dem Buch Nehemia einzuordnen ist.