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Die erstaunliche Wüstenwanderung der Israeliten

Eine schier unüberschaubare Menschenmasse schleppt sich durch den Wüstensand. Schätzungsweise eine Million Menschen sind es, und sie führen zudem noch Zelte, Hausrat sowie Tierherden mit sich. Mehr als vier Jahrzehnte lang wiederholt sich diese Szene, in unregelmäßigen Abständen unterbrochen von Zeiten der Rast, des Kampfes oder der religiösen Feste. Man erfährt davon vor allem aus der Bibel im zweiten bis vierten Buch Mose sowie im Buch Josua. Doch auch der Koran kennt die faszinierende Geschichte dieser Menschen, ebenso wie verschiedene Schriftstücke des Altertums. Es ist: Die legendäre Wüstenwanderung des Volkes Israel.

Der biblische Wüstenzug – nur eine Sage?

Noch vor rund 100 Jahren wurde der biblische Bericht überwiegend für ein Märchen gehalten. Ein Großteil der wissenschaftlichen Fachwelt bestritt sogar die Existenz des hebräischen Anführers Mose. Dessen Identität sowie der gesamte Wüstenzug erscheinen heute zwar immer noch nebulös, sind jedoch aufgrund archäologischer Funde durchaus nachvollziehbar. Gelehrte und Amateurhistoriker sind deshalb gleichermaßen dazu übergegangen, andere Erklärungsmodelle zu entwickeln. Vielen Theorien liegt dabei der Gedanke zu Grunde, dass der biblische Bericht lediglich eine um den wahren Kern herum konstruierte Erzählung ist, welche in verklärter Weise identitätsstiftend auf Staat und Religion der Juden wirkte.

 

Die Wunder der Wüstenwanderung

Dass der biblische Bericht trotz archäologischer Beweise immer noch nicht voll akzeptiert wird, liegt vermutlich an den enthaltenen, wortwörtlich „wunderbaren“ Geschehnissen. Fast nahtlos reihen sich hierbei die phänomenalen Ereignisse aneinander. Relativiert wird dieser Eindruck erst, wenn man bedenkt, dass die Bibel einen Zeitraum von über 40 Jahren zu einer verhältnismäßig flüssigen Erzählung zusammenfasst. Dennoch bleibt die Frage: Können die berichteten Wunder wirklich wahr sein? Ein Erklärungsschlüssel wäre beispielsweise, dass es sich dabei um die Auswirkung von Naturgesetzen handelt, welche den damaligen Menschen noch nicht bekannt waren. Die kleine Auswahl der nachfolgenden Wunder soll einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden...

Das geteilte Meer (2. Mo 14)

Dramatisches geschieht zu Beginn der Wüstenwanderung: Auf ihrer Flucht aus Ägypten befinden sich die Israeliten plötzlich in der Falle: Vor ihnen ein unüberwindliches Schilfmeer, am Horizont hinter ihnen die ägyptische Streitmacht. Da hebt Mose auf Befehl Gottes seinen Stab. In diesem Augenblick teilt sich das Meer, so dass die Hebräer einfach weiterziehen können. Gleichzeitig behindert eine Wolkensäule die Sicht der Verfolger. Als diese ebenfalls durch das geteilte Meer eilen wollen, schlagen die Wassermassen über ihnen zusammen!

Die Bibel selbst weist uns den Schlüssel zu diesem Wunder: Ein starker Ostwind kam auf und drängte die Wassermassen zurück. Tatsächlich ist dies unter gewissen geografischen Voraussetzungen möglich, besonders natürlich, wenn der Wind die ganze Nacht weht, wie der Text 2. Mo 14 berichtet. Vielleicht war dieser Wind ja auch verantwortlich für die wolkige Sichtbehinderung der ägyptischen Soldaten...

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist auch ein Blick auf die Landkarte. Theoretisch hätten die Israeliten kein Gewässer durchqueren müssen, sondern wären auf dem Landweg sicher und direkt aus Ägypten herausgekommen. Man darf getrost davon ausgehen, dass Mose diese Route auch bekannt war, denn bei seiner Rückkehr aus dem Exil nach Ägypten dürfte er genau diesen direkten Weg genommen haben.

Die Bibel berichtet aber in 2. Mose 13,17 bis 14,3, dass auf Gottes Befehl ein Umweg gemacht wurde. Auf der Landkarte stellt sich das als scharfer Schwenk nach Süden dar. Tatsächlich sollen im Roten Meer Überreste ägyptischer Streitwagen gefunden worden sein – an der nahezu einzigen Stelle, wo ein Durchzug wie im biblischem Bericht Sinn gemacht hätte.

Wolke und Feuersäule

Nach biblischen Angaben folgten die Israeliten auf ihrer Wanderung tagsüber einer riesigen Wolke. Nachts hingegen zeugte eine gigantische Feuersäule von Gottes Anwesenheit. Kühne Denker brachten diesen Umstand mit einem Naturkatastrophe des Altertums in Verbindung: Dem Vulkanausbruch auf der Insel Santorin vor rund 3.500 Jahren, fälschlicherweise bekannt als Minoische Eruption. Jene war so stark, dass sämtliche Mittelmeergebiete durch Flutwellen, Asche-Regen und fliegende Steinbrocken heimgesucht wurden. Auch eine mehrere Kilometer hohe Rauchsäule soll dabei entstanden sein. Kann diese tatsächlich identisch mit der großen Wolke sein und aufgrund ihrer Temperatur nachts vielleicht feurig geleuchtet haben? Eher nicht, denn Wolken- und Feuersäule dienten den Israeliten schließlich jahrelang als Führung. Auch der heftigste Vulkanrauch kann da nicht mithalten. Außerdem müsste man für dieses Erklärungsmodell die gesamte Wüstenwanderung rund 300 Jahre zurückdatieren.

Manna: Das tägliche Brot in der Wüste

Gemäß biblischer Überlieferung gehörte zu den Grundnahrungsmitteln während der Wanderung das sogenannte Manna, welches sich jeweils über Nacht am Wüstenboden ansammelte. Ältere Forschungen identifizieren es als die Kapselfrucht des in Wüsten heimischen Tamariskenstrauches. Neuere Erkenntnisse halten auch eine essbare Flechte oder sogar das zuckerhaltige Sekret einer bestimmten Schildlaus-Art für denkbar. Keine Theorie konnte jedoch bisher erklären, was es mit der seltsamen Haltbarkeit des Mannas auf sich hatte: In der Regel verdarb das Manna sehr rasch und musste täglich neu gesammelt werden. Nur am Freitag sammelten die Juden doppelt soviel Manna, da sie ja am Sabbat nicht arbeiten durften. In diesem Fall blieb das Manna auch zwei Tage lang genießbar.

Der trockene Jordan (Josua 3)

Gegen Ende der Wüstenwanderung ereignete sich ein ähnliches Wunder wie an ihrem Beginn. Mose war bereits gestorben, und sein Nachfolger Josua schickte sich an, dass Land Kanaan zu erobern. Dazu musste zunächst jedoch der große Fluss Jordan überquert werden, welcher gerade Hochwasser führte. Auf göttliches Geheiß hin ließ Josua die Priester mit der Bundeslade zuerst ein Stück in das Wasser waten. Daraufhin staute sich der Jordan in beträchtlicher Entfernung an, während das restliche Wasser zum Meer hin ablief.

Glaubt man dem biblischen Text, so hat Gott sich hier offenbar einer einfachen Naturerscheinung bedient und seinem Volk den entsprechenden „Termin“ mitgeteilt: An den Ufern des Jordans kommt es gelegentlich zu Steinschlägen, welche das Wasser tatsächlich komplett anstauen können. Bis zu 72 Stunden lang sollen einzelne Streckenabschnitte des Flusses dadurch bereits ausgetrocknet gewesen sein.

Wunder gibt es auch heute

Die hier aufgeführten sowie viele weitere Wunder der Wüstenwanderung stellen den Leser vor eine prinzipielle Entscheidung: Sollte man den biblischen Angaben trotz mancher Erklärungslücken glauben? Natürlich! In unserer heutigen Gesellschaft ist es schließlich auch völlig in Ordnung, an paranormale Erscheinungen und sogar die Existenz von Außerirdischen zu glauben. Diese Phänomene stellen lediglich moderne Wunder dar, weil wir ihre naturwissenschaftlichen Hintergründe nicht erfassen können. Warum sollte es sich mit biblischen Wundern anders verhalten? Laut Bibel wurden jene zwar von Gott gewirkt. Doch dieser benötigte dazu keine Zauberei, denn seine Möglichkeiten gehen nach christlicher Überzeugung weit über die Grenzen des menschlichen Geistes hinaus.

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