Obadja und Habakuk
Die voneinander unabhängigen Verkündigungen Obadjas und Habakuks gleichen teilweise dem rhetorischen Muster der übrigen kleinen Propheten: Schilderung von Unrecht, Ankündigung eines Strafgerichts, Aufruf zur Buße sowie abschließend ein hoffnungsvolles Gnadenangebot. Gründe genug gab es dafür offenbar, denn diese Propheten wirkten in einer gesellschaftspolitisch besonders brisanten Zeit:
Die zeitliche Einordnung der Propheten Obadja und Habakuk
Mit einiger Sicherheit lässt sich schlussfolgern, dass beide Männer in der letzten Epoche des Königsreichs Juda, also um das Jahr 600 v. Chr. auftraten. Das kleine Land befand sich in einer schwierigen Situation. Durch seine zentrale Lage entlang einer Handelsroute geriet der Zwergstaat zwangsläufig in den Fokus der großen Machtblöcke: Im Norden das aufstrebende Neubabylonische Reich und die von diesem verdrängten Assyrer sowie im Süden die Ägypter. Politisch wie religiös schwankte das Königshaus jedoch zwischen nationaler Eigenständigkeit und der Anpassung an diese ausländischen Mächte. Eine ähnlich fatale Verhaltensweise hatte über ein Jahrhundert zuvor bereits den Untergang des nördlichen Bruderlandes Israel bewirkt.
Das Buch Obadja
Umso erstaunlicher ist es, dass sich aus der Verkündigung des Propheten Obadja dieses Problem nur indirekt herauslesen lässt. Einige Bibelausleger glauben daher, dass der Gottesmann in eine andere Epoche eingeordnet werden sollte. Explizit widerlegen lässt sich die oben beschriebene, klassische Datierung jedoch nicht.
Über den Propheten Obadja selbst ist fast nichts bekannt. Sein Name bedeutet soviel wie Verehrer / Diener Gottes und kommt in der Bibel recht häufig vor. Da die Person Obadja dennoch nicht näher erklärt wird, wussten die Leser des Buches offenbar genau, wer gemeint war. Es ist somit denkbar, dass die Botschaften des Propheten zeitnah aufgeschrieben wurden.
Das Buch Obadja besitzt keine Kapitelzählung, denn es ist das kürzeste Buch des Alten Testaments und beinhaltet nur ein großes Thema: Das Strafgericht über die Edomiter in Verbindung mit neuer Hoffnung für Gottes Volk. Die Edomiter standen den Juden von allen Nachbarvölkern verwandtschaftlich am nächsten. Ihre Existenz ging auf Esau zurück, den Zwillingsbruder des israelisch-jüdischen Stammvaters Jakob. Die Edomiter galten als schadenfrohe und unberechenbare Nachbarn, welche ihre Bündnispolitik auch gern einmal zu Lasten der Juden betrieben. Entsprechend unheilvolle Worte findet Obadja gegen die Edomiter.
Der Prophet Habakuk und seine Fragen
Auch zu Habakuk finden sich nur wenige Personalien in der Bibel. Ihn unterscheidet von anderen Propheten seiner Zeit, dass er nicht mit einem göttlichen Auftrag konfrontiert wird. Stattdessen sucht Habakuk selbst den Kontakt zu Gott und bittet um Antwort. Seine Erlebnisse notierte er nach biblischer Aussage selbst. Daher lässt sich vermuten, dass Habakuk möglicherweise einer der in der Bibel meist kritisch bewerteten Berufspropheten war. Jene bestritten, analog zu heutigen Wahrsagern, ihren Lebensunterhalt durch die Verkündigung echter oder erfundener Visionen. Ein Psalm am Ende des Buches Habakuk legt hingegen die Vermutung nahe, der Prophet sei hauptberuflich eher den Musikern im Jerusalemer Tempel zuzuordnen.
Habakuk wendet sich mit einer uralten Frage der Menschheit an Gott: Warum gibt es Unrecht? Er präzisiert seine Unzufriedenheit mit dem Hinweis, dass es ausgerechnet den Gottlosen gut geht, die Anständigen und Gottesfürchtigen hingegen in Bedrängnis geraten. Der Prophet geht dabei allerdings weit über die soziale Schieflage der Gesellschaft hinaus, wie sie von anderen der zwölf kleinen Propheten beschrieben wird. Habakuks Sorge gilt eher der machtpolitischen Lage seiner Region. Ihm leuchtet nicht ein, wieso grausame Mächte mit ihrer Gewalt Erfolg haben und nun auch Gottes Volk bedrohen.
Gottes Antwort an Habakuk und die Erfüllung der Obadja-Prophetie
Obwohl nicht explizit genannt, meint Habakuk hier offenbar die Chaldäer, also das Neubabylonische Reich. Gott antwortet und bestätigt namentlich die Chaldäer als eine Macht, welche das von Gott abgefallene Reich Juda überrennen wird. Gleichzeitig erhält Habakuk aber auch einen Trost: Weil die Eroberer ihre Macht missbrauchen und zudem Götzen anbeten, sollen sie ebenfalls gerichtet werden. Der gerechte Gottesgläubige hingegen darf hoffen.
In der Tat eroberten die Babylonier die jüdische Hauptstadt Jerusalem und zerstörten sie um 586 v. Chr. Die Bevölkerung wurde verschleppt. Andere biblische Gottesmänner wie Jeremia oder Daniel setzten die Eroberer offenbar über ihre Rolle als Strafgericht Gottes ins Bild, jedoch ohne dauerhaften Erfolg. Entsprechend erfüllte sich, was Habakuk vorhergesagt hatte: Das mächtige Neubabylonische Reich ging einige Jahrzehnte später unter. Zuvor jedoch fanden noch die leidenschaftlichen Worte des Propheten Obadja gegen die Edomiter ihre Erfüllung. Sie erlagen ebenfalls dem Ansturm der Chaldäer.
Auch die hoffnungsvollen Verheißungen beider Propheten bewahrheiteten sich. Nach dem Ende des Neubabylonischen Reiches kam es unter den verschleppten Juden zu einer Heimkehrerbewegung. Jerusalem und der Tempel wurden wieder aufgebaut und entwickelten sich zum Zentrum eines streng gottesfürchtigen Glaubens. Zu den treibenden Kräften dieser Bewegung gehörten ebenfalls zwei der zwölf kleinen Propheten: Haggai und Sacharja.