Populäre Irrtümer christlichen Allgemeinwissens

Die Bibel ist das am weitesten verbreitete Buch der Erde. Die Heilige Schrift erreicht konstant hohe Verkaufszahlen. Laut einer Statistik (Stichtag 31. 12. 2003) wurden Teile der Bibel beziehungsweise das komplette Buch in 2355 Sprachen übersetzt. Kein Wunder also, dass biblische Inhalte im christlich-kulturell geprägten Europa selbst Atheisten geläufig sind. Doch in unser kollektives Allgemeinwissen haben sich Irrtümer eingeschlichen, denen selbst treue Kirchgänger nicht selten erliegen.

Eva und der verhängnisvolle Apfel

Der biblische Bericht vom Sündenfall scheint den meisten Leuten vage bekannt zu sein: Eva, die erste Frau der Menschheitsgeschichte, wurde vom Teufel (in Gestalt einer Schlange) verführt, einen Apfel vom verbotenen Baum der Erkenntnis zu essen... Halt! Wer diese Geschichte wörtlich übernimmt, sollte sich anhand einer Bibel selbst um die rechte Erkenntnis bemühen. Denn besagte Episode aus 1. Mose, Kapitel 3 spricht ganz anonym von einer Frucht. Der Apfel ist lediglich eine Ausschmückung des Volksglaubens späterer Jahrhunderte.

Jona und der Wal

Ähnlich verhält es sich mit den Abenteuern des Propheten Jona. Die Bibel erzählt, wie der Gottesmann nach Ninive, der Hauptstadt der Assyrer, geschickt wird, um diesen ihren Untergang anzukündigen. Doch Jona hat Angst und wird daher recht widerborstig. Der Prophet flieht, indem er per Schiff in eine andere Richtung fährt. Während der Reise kommt ein starker Sturm auf. Schiffbruch droht. Jona erkennt, dass Gott ihn aufhalten will. Um die anderen Schiffsinsassen zu retten, lässt Jona sich ins Meer werfen, worauf der Sturm sofort endet. Jona jedoch wird von einem Wal verschluckt... Wirklich? Nein! Die Bibel erwähnt nur einen großen Fisch, womit natürlich auch ein anderes Meerestier gemeint sein kann. Das ist auch wesentlich realistischer, denn Wale gehören nicht zu den Fischen und sind auch nicht in der Lage, Menschen zu verschlucken. Der Wal hat vermutlich deshalb trotzdem Einzug in diese Geschichte gefunden, weil man sich einfach kein größeres Meerestier als den Blauwal vorstellen kann.

Wer schnitt Simsons Haare ab?

Ein anderer Held des Alten Testaments ist der Richter Simson. Er verfügte über außergewöhnliche Kräfte, welche ihm Gott verlieh, solange Simson als Zeichen der Gottestreue seine Haare nicht abschnitt. Simson hatte jedoch auch eine Schwäche: Schöne Frauen. Deshalb geriet er mit den Erzfeinden seines Volkes, den Philistern, öfter aneinander, siegte aber stets furios. Die Philister griffen daher zu einem Trick und setzten eine schöne Frau namens Delila auf Simson an. Diese forderte als Liebesbeweis, er solle das Geheimnis seiner Kräfte verraten. Mehrmals gab Simson falsche Auskunft, schließlich jedoch erklärte er den wahren Grund. Die Frau verriet den Philistern das Geheimnis für 1100 Silberstücke. Der bei Delila schlafende Simson wurden daraufhin geschoren. Als er erwachte, konnte ihn selbst die zarte Delila festhalten und schließlich mit Hilfe der Philister gänzlich überwältigen..

Es erscheint beinahe zwangsläufig logisch, dass Simson seine Haarpracht durch die verräterische Delila verlor. Entsprechend etablierte sich die Geschichte in der mündlichen Überlieferung. Die Bibel jedoch klärt in Richter 16, Vers 19 auf: „(Sie)... rief einen, der ihm die sieben Locken seines Hauptes abschnitt...“ So fies und gemein Delila also auch gewesen sein mag: Selbst machte sie sich ihre Hände bei dem Verrat nicht schmutzig.

Jesus in der Krippe

Alle Jahre zur Weihnachtszeit: Das süße Jesuskind liegt in der Futterkrippe eines Stalls, während Ochse und Esel das Wunder fasziniert bestaunen. So kitschig-romantisch die Szene ist, so falsch ist sie auch. Entgegen aller kirchlichen, volkstümlichen und künstlerischen Tradition findet sich in der Bibel keine Aussage zur Anwesenheit von Ochse und Esel. Überhaupt wird die Geschichte von Christi Geburt durch die vier Evangelisten relativ kurz abgehandelt oder sogar gänzlich unterschlagen. Lediglich das Buch Lukas befasst sich ausführlicher damit. Daher sollten die wenigen Hinweise auf Stall und Krippe nicht unbedingt mit mitteleuropäischen Maßstäben beurteilt werden. Im Palästina der damaligen Zeit dienten oftmals einfache Erdhöhlen als Tierunterkunft. Eine andere Möglichkeit liegt in der Beschaffenheit der damaligen Häuser, zu denen eben auch ein abgetrennter Bereich für die Tiere gehörte. Dass Maria und Josef dort untergebracht wurden, hat vermutlich auch nichts mit der Raumnot in der Stadt zu tun. "Sie fanden keine andere Herberge" kann auch einfach bedeuten: Dieser Stall war der einzige Rückzugsort in dem ansonsten überfüllten Gebäude. Die Identität der heute in Bethlehem touristisch vermarkteten „Geburtsgrotte“ (siehe Foto) darf deshalb getrost angezweifelt werden.

Wann kamen die Heiligen Drei Könige?

Mit der Geburt Christi geht ein weiterer Volksmythos einher. Besonders in katholisch geprägten Regionen ziehen um den Jahreswechsel herum sogenannte Sternsinger von Haus zu Haus und hinterlassen an den Türen die Initialen „C*B*M“. Damit soll an die Heiligen Drei Könige Caspar, Balthasar und Melchior aus dem Morgenland erinnert werden, welche das neugeborene Jesuskind anbeteten und es reich beschenkten. Ein Blick in die Bibel nährt allerdings Zweifel an den Details dieser Begebenheit. Die Heilige Schrift erwähnt in der Geschichte lediglich „Weise aus dem Morgenland“ (wörtlich: Magier aus dem Osten). Ihre Anzahl, eventuelle Königstitel oder gar ihre Namen werden nicht aufgeführt. Mit der biblischen Geschichte haben die Heiligen Drei Könige samt ihren sehr europäischen Namen also nichts zu tun. Vielmehr entstammen sie der katholischen Tradition.

Weihnachten: Der Geburtstag Christi?

Sogar das Weihnachtsfest selbst als Geburtstag des Erlösers erscheint nebulös, denn die biblischen Angaben dazu erlauben keine Bestimmung der Jahreszeit. Das wirkliche Geburtsdatum Christi kennt heute also vermutlich niemand mehr. Natürlich könnte dies theoretisch auch der 25. Dezember sein. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt eben 1: 364,25. Die heutige Weihnachtszeit hingegen soll ihre tatsächlichen Wurzeln im heidnischen Fest der Sonnenwende haben. Als das Christentum im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin zunächst eine unter vielen gleichberechtigten Religionen wurde, vermischten sich anscheinend römische Kulte mit christlichen Überlieferungen.

Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten

Ganz ähnlich verhält es sich mit den christlichen Feiertagen zu Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Die Bibel beschreibt einen Zeitraum von 40 Tagen zwischen der österlichen Auferstehung Christi und seiner Himmelfahrt. Noch einmal zehn Tage später soll sich die Ausgießung des Heiligen Geistes ereignet haben, der heute unter Nichtchristen weitgehend unbekannte Ursprung des Pfingstfestes.

Aber an welcher Stelle des Jahresablaufs sind diese Zeitintervalle einzufügen? Die Bibel gibt nur einen vagen Hinweis und benennt das Passa-Fest als Zeitpunkt der Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Jenes fand im Frühjahr statt.

In unseren aktuellen Kalendern werden zwar die Zeitabstände zwischen Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten weiterhin eingehalten, doch die Datumsangaben variieren von Jahr zu Jahr. Die Ursache dafür liegt darin, dass Ostern rechnerisch vom kalendarischen Beginn der Fastenzeit (Aschermittwoch) aus ermittelt wird. Jener wird aber wiederum bestimmt durch den ersten Vollmond im Jahr. Eine genaue Datumsangabe zur Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu ist somit beinahe unmöglich.