Das Buch der Klagelieder

Dieses biblische Buch wird oftmals als eine Art Anhang an das Buch Jeremia angesehen. In fünf Texten von typisch orientalischer Poesie werden die Zerstörung Jerusalems und das Unglück des jüdischen Volkes beklagt. Neben dem eigentlichen Unglück werden auch Aspekte wie Sünde und Gnade thematisiert. Die dichterische Struktur dieser Trauergesänge erschließt sich erst in der hebräischen Urfassung vollständig: Die Kapitel 1, 2 und 4 enthalten 22 Verse, deren Anfangsbuchstaben das hebräische Alphabet bilden. Im dritten Kapitel wird diese Form noch etwas verfeinert. Es besteht aus 66 Versen, so dass jeweils drei Verse mit dem gleichen Buchstaben beginnen, wiederum in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets. Das letzte Kapitel hat erneut 22 Verse. Hier wurde jedoch keine besondere Anordnung der Anfangsbuchstaben vorgenommen.

In der Septuaginta, der wahrscheinlich ältesten griechischen Bibelübersetzung, wurde den Klageliedern eine Einleitung vorangestellt. Aus dieser geht hervor, der Prophet Jeremia sei der Verfasser. Die eigentlichen Klagelieder sagen darüber jedoch nichts aus. Dennoch kann aus ihrem Inhalt in Kombination mit den geschichtlichen Berichten aus dem Buch Jeremia (bes. Kap. 40 und 41) und dem Zweiten Buch der Könige geschlossen werden, dass Jeremia mit großer Wahrscheinlichkeit der Verfasser der Klagelieder war:


  • Das Werk befasst sich ausschließlich mit der zerstörten Stadt Jerusalem, dem Schicksal seiner Bewohner und deren Beziehung zu Gott. Das Ergehen der nach Babylon Verschleppten bleibt nahezu unerwähnt.
  • Angeführt wird stattdessen das Elend der Zurückgebliebenen, explizit mehrfach eine Hungersnot.
  • Nach der Eroberung Jerusalems „im vierten Monat“ kam es rund einen Monat lang zu Plünderungen, Verschleppungen und Hinrichtungen. Anschließend wurde die Stadt vollständig zerstört.
  • Die wenigen Zurückgebliebenen hausten in der Region und durften Felder sowie Weinberge bewirtschaften. Ein Statthalter namens Gedalja verwaltete das Gebiet mit einer überschaubaren Besatzungstruppe.
  • Nach einer reichen Ernte kam es „im siebenten Monat“ zur Ermordung Gedaljas und seiner Gefolgsleute. Auch eine Pilgertruppe, welche im zerstörten Jerusalem das Unglück der Stadt beklagen wollte, kam ums Leben. Den Aufrührern ging es also nicht um die Wiederaufrichtung des jüdischen Glaubens.
  • Anschließend flohen zahlreiche Menschen nach Ägypten und nahmen Jeremia mit.
  • Danach endete die Praktizierung des jüdischen Gottesdienstes in Palästina für mehrere Jahrzehnte.
  • Die nach Ägypten Geflohenen wiederum verehrten die so genannte Himmelsgöttin. Sie glaubten offenbar, nicht die Abkehr von Gott, sondern die zu geringe Verehrung der Himmelsgöttin habe die Zerstörung Jerusalems bewirkt (Jeremia 44,16-19).
  • Daraus kann gefolgert werden, dass diese Gesänge nur in der Region Jerusalem und in einem engen Zeitrahmen von zwei bis drei Monaten entstanden. Die erwähnte Ernte würde ansonsten nicht mehr zur beklagten Hungersnot passen.
  • Jeremia dürfte der bedeutendste Gottesmann unter den Zurückgebliebenen gewesen sein. Mit seiner Verschleppung hörte die den Klageliedern zugrundeliegende Theologie im Heiligen Land offenbar zunächst auf.
  • Die Klagelieder thematisieren zudem genau jene Bekehrung zu Gott, die Jeremia zuvor jahrelang gepredigt hatte. In der Summe weisen somit die meisten Indizien auf Jeremia als Verfasser hin.