Das Buch Prediger

Die Betrachtung des menschlichen Daseins ist Gegenstand des Buches Prediger. Damit besteht thematisch eine gewisse Verwandtschaft zu seinem Vorgänger, dem Buch der Sprüche. Darin liegt eine gewisse Zwangsläufigkeit, denn beide biblischen Bücher werden dominiert von den Erkenntnissen des Königs Salomo, welcher sich im Buch Prediger als Verfasser zu erkennen gibt (Kap. 1,1+12). Aus diesem Grund wird dieses Buch bisweilen auch als Der Prediger Salomo bezeichnet. Eine weitere Namensvariante ist Kohelet, die hebräische Entsprechung des Wortes „Prediger“.

Während das Buch der Sprüche eher eine Sammlung von Lebensweisheiten darstellt, wird es beim Prediger Salomo regelrecht philosophisch. Bei seinen Beobachtungen und Selbstversuchen zum irdischen Glück gelangt er immer wieder zur Erkenntnis: Alles ist eitel und sinnlos. Irdische Freuden oder Reichtum bringen ebenso wenig Erfüllung wie Macht, Beliebtheit beim Volk, Wissen und Weisheit. Alles vergeht irgendwann, alles scheint schon einmal da gewesen zu sein. Gleichzeitig beobachtet Salomo die Mühen seiner Mitmenschen und ihre Ungerechtigkeiten untereinander. Niemand hat wirklich vollständige Macht über das eigene Schicksal.

Diese sehr pessimistischen Gedanken werden jedoch immer wieder durchbrochen von Hinweisen auf Gottes verborgenes Wirken. Zudem ruft Salomo dazu auf, Freude zu empfinden, tätig zu werden und Schönes zu genießen – nicht etwa trotz, sondern gerade wegen der allumfassenden Vergänglichkeit und Nichtigkeit.  Er begründet es damit, dass man gute Zeiten nutzen soll, ehe unschöne Ereignisse eintreten (Kap. 11 und 12).

Dieses Streben nach und Ausleben von positiven Umständen ist allerdings nicht der Sinn des Daseins. Diesen sieht Salomo in einem gottesfürchtigen Leben (Kap. 12, Verse 13+14). Mit dieser als „Hauptsumme aller Lehren“ bezeichneten Einstellung revidiert Salomo auch das bis heute in mehreren Religionen auftretende Prinzip: Wohlergehen deutet auf Frömmigkeit hin, Leiden ist Strafe Gottes. Anhand seiner Beobachtungen arbeitet Salomo vielmehr heraus, dass es diesen Automatismus eben nicht gibt. Somit wird die einleitende Desillusionierung des Lesers (Alles ist sinnlos, vergänglich, wenig erstrebenswert) zur Grundlage für ein dankbares, zufriedenes Leben im Vertrauen auf Gott.