Das Buch Joel

Über seine Person ist kaum etwas bekannt. Die spärlichen Angaben zum Propheten Joel stammen überwiegend aus dem gleichnamigen, biblischen Buch. Der Name des Mannes bedeutet übersetzt ungefähr: „Jahwe ist Gott“. Die Aussagen zu Joels Herkunft beschränken sich auf die damals wichtigste Information, den Namen seines Vaters.

Joel und seine Zeit: Eine Glaubensfrage

Genaue Anhaltspunkte zur zeitlichen Einordnung Joels fehlen. Seine Botschaft war jedoch ganz offensichtlich an das Reich Juda, den Südstaat des rund 200 Jahre lang geteilten Landes, gerichtet. Deshalb lässt sich Joels Wirken anhand der von ihm selbst getroffenen Aussagen auf das achte Jahrhundert vor Christus datieren. Diese Epoche war geprägt von drohenden Invasionen der immer mehr erstarkenden Assyrer sowie vom sich abzeichnenden Untergang des nördlichen Bruderstaates Israel. Der Gottesmann scheint somit ein Zeitgenosse seiner Kollegen Hosea und Amos gewesen zu sein, deren Schriften auch in der Bibel direkt vor bzw. nach dem Buch Joel erscheinen.

Dennoch gibt es zur Wirkungszeit des Propheten bis heute recht kontroverse Ansichten. Die alternativen Meinungen umfassen dabei den gesamten Zeitraum zwischen 900 v. Chr. und ungefähr 300 v. Chr., weichen also von der klassischen Einordnung in beide Richtungen ab. Die Verfechter eines „jüngeren Joels“ untermauern ihre Thesen dabei unter anderem mit textlichen Parallelen zu Propheten verschiedener Zeiten, auf die sich Joel später bezieht. Doch natürlich ist dieser Sachverhalt auch umgekehrt denkbar: Spätere Propheten griffen gewissermaßen auf die Worte Joels zurück.

Ein weitaus gewichtigeres Argument ergibt sich jedoch aus dem dritten und vierten Kapitel des Joel Buches. Die dortigen Texte spielen vermutlich auf Ereignisse an, welche erst Jahrhunderte nach Joels angeblicher Wirkungszeit eintraten: Die Zerstörung Jerusalems, die Wegführung in jahrzehntelange Gefangenschaft, die Rückkehr daraus und der Wiederaufbau der Stadt. Allerdings lassen die entsprechenden Verse auch andere Deutungsmöglichkeiten zu. Nach jüdischer und christlicher Überzeugung war Joel zudem ein Prophet und konnte somit künftige Ereignisse selbstverständlich vorhersagen. Die Frage nach einer sicheren Datierung Joels und seiner Schriften bleibt somit offen.

Der Inhalt des Buches Joel

Obwohl Joel schlimme Ereignisse vorhersagt, wohnt seinen Worten dennoch ein vorsichtiger Optimismus inne. Zudem verwendet er (im Gegensatz zu den zornigen Reden anderer Propheten) einen gehobenen und kultivierten Sprachstil. Die Anlässe für sein öffentliches Auftreten waren offenbar eine Dürrekatastrophe sowie eine Heuschreckenplage. Joel deutet diese bildhaft als Vorboten eines göttlichen Gerichts. Im zweiten Kapitel wird er deutlicher. Es folgt eine gesteigerte Wiederholung der Aussagen. Nun spricht der Prophet unumwunden von einem mächtigen Kriegsheer und der damit einhergehenden Verwüstung. Joel benennt aber auch den Ausweg: Buße und Bekehrung zu Gott, so dass dieser den „Feind aus dem Norden“ vertreibt. Joel vertritt also die Ansicht, dass aktuelles oder drohendes Unglück die Menschen zur geistlich-moralischen Umkehr bewegen kann.

Setzt man das Wirken des Propheten gemäß der klassischen Überlieferung im 8. Jhd. v. Chr. an, ergibt Joels Botschaft durchaus einen Sinn und findet eine zeitnahe Erfüllung. Der „Feind aus dem Norden“ kann sowohl der nördliche Bruderstaat Israel, als auch das expandierende Großreich Assyrien sein. So versuchte beispielsweise das Nordreich Israel gemeinsam mit den syrischen Aramäern vergeblich, Juda für eine Koalition gegen die Assyrer zu gewinnen. 733 v. Chr. kam es daher zu einer Strafaktion der beiden Bündnispartner gegen das unwillige Juda. Jenes rief die Assyrer zu Hilfe, welche dem Ersuchen dankend nachkamen. Sie besetzten große Teile Israels und Syriens. Juda blieb somit von beiden Kriegsparteien verschont und kam recht glimpflich davon (Syrisch-Ephraimitischer Krieg).

Die erweiterte Bedeutung der Joel-Prophetie

Ein Schlüsselbegriff im Buch Joel ist die mehrfach auftauchende Wendung „Tag des Herrn“. In Verbindung mit weiteren Gerichtsbotschaften und Aussagen über den Heiligen Geist ergibt sich daraus ein Gesamtbild, dem der o. g. Krieg als Erfüllung der Joel-Prophetie nicht voll gerecht wird. Joels Botschaft ist auf mehrere Ereignisse der jüdischen Geschichte anwendbar und findet sogar als Hinweis auf das von der Christenheit erwartete Jüngste Gericht seinen Niederschlag. In dieser Auslegung erkannten offenbar bereits die ersten Christen das prophetische Potenzial des Joel-Buches: In der sogenannten Pfingstpredigt (Apostelgeschichte 2), dem ersten öffentlichen Auftreten der neuen Religion, bezieht sich Petrus konkret auf den Propheten, indem er das dritte Kapitel des Joel-Buches vollständig zitiert.